Stabile Gefühle, instabile Gefühle – über Verbindungen zwischen Wahrnehmung, Erkennen und Fühlen.

Als mehr oder weniger aufgeklärte Menschen wissen wir um die “Relativität“ unserer Wahrnehmungen, und den Gedanken in uns zu unseren Wahrnehmungen. Was nichts daran ändert, dass wir ihnen zunächst trauen. Trauen müssen. Denn würden wir jeden Gedanken, der aus einer Wahrnehmung resultiert, sofort anzweifeln, würde das Leben zunehmend zur Hölle werden. Gleichzeitig können wir nicht völlig naiv unseren ersten Eindrücken vertrauen, oder unkritisch jeden eigenen Gedanken dermaßen wichtig nehmen, dass wir durch ihn vollständig bestimmt werden. Misstrauen gehört zum Vertrauen dazu, wie die Trockenheit zum Wasser oder die Wärme zur Kälte. Was aber geschieht mit unseren Gefühlen, wenn wir in einen ›Wahrnehmungsstrudel‹ geraten, wo wir nicht mehr einschätzen können, was wahr, was falsch, was unsere eigene Interpretation, was tatsächliche Wirklichkeit ist?
       Wir werden emotional instabil. Das Nicht-Wissen um ›wahr‹ und ›falsch‹ wird uns destabilisieren, denn jede innere, emotionale Sicherheit braucht auch die Sicherheit um die eigenen Wahrnehmungen, die mir etwas über die Grenzen zwischen ›innen‹ und ›außen‹ erzählen, und was ich aus diesen Grenzen lernen kann. Was unverrückbar richtig an ihnen ist, und was dermaßen falsch.
    Um Sicherheit in die eigenen Wahrnehmungen der Mitwelt, unsere ›Außenwelt‹ zu bekommen, brauchte es in unserer Kindheit stabile Bindungen an Bezugspersonen, die mich positiv bestätigen oder auch freundlich und liebevoll korrigieren hinsichtlich der Art und Weise, wie ›ich‹ auf die Welt reagiere. Passierte dies nicht oder nur auf verwirrende, möglicherweise auch sehr widersprüchliche Weisen, wird eine personale Identität, welche sich aus der Art, die Welt wahrzunehmen und auf sie zu reagieren ableitet, sich eher brüchig und labil entwickelt haben. Jede Wahrnehmung der Außenwelt löst aufs neue Verwirrung und Unsicherheit in mir aus, weil ›ich‹ einst nicht auf eine widerspruchsfreie und bindungsorientierte Weise bestätigt und “gespiegelt“ wurde.
           Ein Nachholen und Heilen von Beziehungs- und Bindungsfähigkeit ist oft ein langwieriger Prozess, wenn er nur durch die emotionale Rückschau auf die Vergangen-heit dominiert wird. Kann jedoch ›Wahrnehmung‹ im hier und jetzt lernen, ihre eigenen Prämissen, ihre trickreichen Verbindungen zwischen Wahrnehmen, Denken und Fühlen neu zu erleben, und auch neu zu bewerten, lässt sich oft auch schon in kürzeren Prozessen eine personale Neuorientierung erreichen, die es schafft alte Wahrnehmungs-muster und Erlebnismuster zu durchbrechen, indem sie sie durchschaut, erkennt und neu ausrichtet. Zwischen die alte, oft reflexhaft eintretende Wahrnehmung und aus ihr resultierende Denkschleifen werden neue Erkenntnisprozesse “geschaltet“, die genau dann nicht “verkopft“ bleiben, wenn sie durch entsprechende bildhafte und kreative Umsetzung sich mit emotionalem Erleben verbinden lassen. Gedanken und Erkenntnisse werden zu positiven Gefühlen, wenn sie sich erleben und phantasievoll ausdrücken lassen. Einseitige Betonungen von Kognition oder Emotion führen hingegen eher zu Sackgassen, da sie nicht in das Gesamtsystem personaler Wahrnehmung integriert werden können.